Als aus dem Schloss eine Schreinerei wurde

Vor 150 Jahren verkaufte die Nürnberger Patrizierfamilie Haller ihren Herrensitz in Kalchreuth an einen Handwerker

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts befindet sich in dem Bau eine Gaststätte – Rückblick auf die Geschichte eines wichtigen Baudenkmals

Das Hallerschloss ist, zusammen mit der Kirche, das bedeutendste Baudenkmal in Kalchreuth. Seit 1909 beherbergt das ehemalige Patrizierhaus ein Restaurant.
Foto: Bayerlein

KALCHREUTH – Vor 150 Jahren ging in Kalchreuth die Herrschaft der Familie Haller zu Ende. Mit dem Verkauf ihres Schlosses an die Schreinermeisterseheleute Johann Friedrich und Sophie Wölfel verabschiedete sich die Nürnberger Patrizierfamilie nach gut 500 Jahren aus dem fränkischen Dorf.

Es war allerdings nur ein Vorvertrag, der 1849 von den Wölfels unterzeichnet wurde, die schon seit einiger Zeit Pächter des Anwesens waren. Der endgültige Kaufvertrag wurde erst 1850 abgeschlossen. Der Kaufpreis betrug 2000 Gulden. Ausführlich beschrieben wird der Vorgang von Berthold Freiherr von Haller, einem Nachkommen der Familie. In der Dorf-Chronik geht er auch auf die Baugeschichte ein.

Als Ulrich Haller das Dorf Kalchreuth 1342 von den Nürnberger Burggrafen Johann und Albrecht erwarb, gab es noch kein Schloss, sonst wäre es wohl in der Kaufurkunde erwähnt worden. Erst in einer burggräflichen Lehensurkunde von 1398 ist von einer „Behausung" die Rede, der damaligen Bezeichnung für einen Herrensitz.

Im Markgrafenkrieg abgebrannt

Es ist zu vermuten, dass Ulrich II. Haller mit dem Bau begonnen hat. Wie das Gebäude aussah, ist nicht bekannt. Vermutlich waren nur der Keller und das Erdgeschoss gemauert, die übrigen Geschosse in Fachwerk ausgeführt. 1425 werden dann Zwinger und Graben ums Haus erwähnt. Dieser erste Schlossbau ist wahrscheinlich im 1. Markgrafenkrieg (1449) niedergebrannt.

Allgemein wird angenommen, dass nach 1449 der Hauptbau des heutigen Schlosses errichtet wurde. Aus dieser Zeit könnte der spitzbögige Eingang an der Ostseite stammen, 1504, das Schloss hat nun Wolf Haller im Besitz, wird eine Zugbrücke erwähnt. Um 1500 weilte Albrecht Dürer als Gast im Hallerschloss und malte zwei Aquarellbilder.

1560 wurde das Schloss mit einem südlichen Querflügel erweitert. Der neue Besitzer Jakob IV. Haller investierte dafür rund 1200 Gulden. Das Schloss wurde im 18. Jahrhundert von der Hallerischen Familie kaum noch selbst genutzt, ein Teil der Räume wurde vermietet. Im Erdgeschoss des Südflügels war anscheinend sogar ein Stall untergebracht. Darüber lag die Wohnung des Schlossverwalters.

Wenn die „Herrschaft" in Kalchreuth war, hatte der Verwalter die Bedienung sowie die Heizung des Wohnzimmers im Hauptbau zu übernehmen. Wie erwähnt kam das Schloss 1850 an die Familie Wölfel. Jetzt wurde eine Schreinerei eingerichtet. 1907 erwarb Flaschnermeister Wilhelm Schenk aus Nürnberg das Schloss für 15200 Goldmark.

Innerhalb weniger Jahre hatte er das ganze Gebäude bewohnbar gemacht und Fremdenzimmer und Wohnungen eingerichtet. Auch wurde eine Aussichtsplattform errichtet. Vorher war der Schlossgraben trockengelegt worden.

Schenk rechnete mit einem rasch zunehmenden Fremdenverkehr, besonders seit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Nürnberg-Gräfenberg im Jahr 1908. Im Erdgeschoss des Südflügels waren ein Gastraum, ein Nebenzimmer und eine Weinstube.

Gegen die Einrichtung eines Restaurants durch einen Ortsfremden wehrten sich jedoch die schon bestehenden Gastwirtschaften und die Gemeindeverwaltung Kalchreuth. So wurde im August 1909 nur ein Café genehmigt und erst 1911 erhielt Schenk die begehrte Konzession für eine Schankwirtschaft.

Nach dem 1. Weltkrieg wurde die Gaststätte geschlossen. 1927 tritt Heinrich Sörgel als Eigentümer auf. Ein Jahr später beantragte sein Schwiegersohn, der Schuhmacher Leonhard Böhm aus Kalchreuth, eine neue Konzession, die aber von den Behörden verzögert und erst 1932 erteilt wurde.

Trotz der schlechten Zeit brachte das Ehepaar Böhm die Gastwirtschaft in Betrieb. Seit 1968 ist das Schloss im Besitz der Eheleute Reinhold und Luise Scheer, die es nach und nach restaurierten und die Gaststätte durch einige Anbauten erweiterten. Neben der Kirche ist das alte Hallerschloss das bedeutendste Baudenkmal von Kalchreuth.

Zu den Aufgaben der jeweiligen Herrschaft gehörte früher auch der Kirchweihschutz. Der Kirchweihschutz, laut Heimatforscher Wilhelm Held, in früheren Zeiten ein oft heftig umstrittener Akt, war eigentlich ein Rechtsanspruch und Hoheitsrecht der Gerichtsherren.

Büttel sorgte für Ordnung

Am Sonntagmorgen erschien der Büttel der jeweiligen Gerichts- und Dorfherrschaft mit einigen Begleitern und rief die Eröffnung der Kirchweih aus. Dabei betonte er, dass er Kraft seines Auftrages für die öffentliche Ordnung verantwortlich sei und Übertretungen der Rechtsordnung entsprechend bestrafen lassen werde.

Der Büttel und seine Begleiter mussten von den Gastwirten vollauf verköstigt und von der Gemeinde entlohnt werden. Da es aber nicht immer ruhig zuging auf der Kirchweih, kam es durchaus vor, dass die Kirchweihschutzmannschaft zahlreicher war, als die Kirchweihgäste.

ERNST BAYERLEIN

Quelle: Erlanger Nachrichten, 11.08.1999